Viele Autor*innen träumen davon, dass ihr Werk von Literaturkritiker*innen besprochen wird. Sie erhoffen sich dadurch Aufmerksamkeit für ihr Buch – und im besten Fall eine positive Besprechung, die auch anderen Lust auf die Geschichte macht. Aber ist eine Literaturkritik immer ein sinnvolles Ziel?

Literatur gehört für Wolfgang Tischer immer dazu. In all den verschiedenen Bereichen, in denen er arbeitet. Egal ob als Literaturkritiker auf literaturcafe.de, als Podcaster (der literaturcafe.de-Podcast sowie der Schreibzeug-Podcast mit Diana Hillebrand), als ehemaliger Buchhändler, Moderator von Lesungen, Schreibcoach oder Vorleser – am Ende geht es immer um Literatur.

Im Zeilenschlinger-Podcast spricht er mit Eve und Cara darüber, was Literaturkritik ausmacht, wo die Grenzen zu Buchblogger*innen liegen und warum eine Kritik nicht immer etwas Gutes oder Erstrebenswertes für Autor*innen sein muss. Zu Beginn des Interviews stellt er sich – wie all unsere Interview-Gäst*innen – fünf einleitenden Fragen:

Du kritisierst, du liest, liest auch vor, bist Podcaster, Schreibcoach und Moderator – was machst du eigentlich nicht?

Im Literaturbereich ist es schwierig, da probiere ich gern alles aus. Insofern hört man und sieht man mich da tatsächlich in vielen Bereichen und auf fast allen Social-Media-Kanälen – fast allen, nicht ganz allen.

Womit hast du denn angefangen? Was hat dich z. B. dazu gebracht, Buchhändler zu werden?

Die Begeisterung für Literatur und fürs Lesen war natürlich schon da, bevor ich mich irgendwann entschieden habe, Buchhändler zu werden. Das war mir anfangs als Beruf gar nicht in den Sinn gekommen. Ich wollte mal irgendwas anderes machen, irgendwas Unsinniges, wie Wirtschaftswissenschaften oder solche Dinge zu studieren, die kein Mensch braucht und wo merkwürdige Menschen unterwegs sind (lacht).

Computer haben mich immer interessiert, aber ich habe mir immer gesagt, ich möchte es nie beruflich machen, was aber in gewisser Weise doch so gekommen ist, weil ich mit literaturcafe.de schon früh beides verbunden habe. Ich mache das schon seit Ewigkeiten. Und es kam dann vieles hinzu. Vor allem war auch immer ganz viel Ausprobieren dabei in den Neuen Medien, wie es damals so schön hieß. Also beispielsweise mit Social-Media-Kanälen.

Du bist ja vor kurzem auch auf TikTok gestartet. Wie wichtig ist es für dich, all diese Medien im Blick zu behalten und dich nicht zu sehr auf eine spezifische Plattform zu konzentrieren?

Also ich denke, wenn man in diesem Bereich unterwegs sein will, wenn man auch kompetent darüber urteilen möchte und Autorinnen und Autoren auch Ratschläge geben möchte, muss man die Dinge einfach ausprobieren. Das war schon immer meine Devise. Das erlebe ich auch gerade bei TikTok, wo man ja sehr viel Vorurteile hat – sehr viel berechtigte Vorurteile, muss ich auch sagen, was diese Plattform als solche angeht. Damit meine ich nicht Booktok. Aber auf der anderen Seite sehe ich natürlich auch, was dieses Medium bringt, was es leisten kann, was es nicht leisten kann und das kann man eigentlich nur dann wirklich erfahren und feststellen, wenn man es selbst ausprobiert.

Wenn du dich entscheiden müsstest – nur noch Bücher lesen, die du noch nicht kennst, oder nur noch deine All-Time-Favourites wieder und wieder lesen – wofür würdest du dich entscheiden?

Definitiv für das erste, weil ich Bücher – selbst meine Lieblingsbücher – eigentlich nie ein zweites Mal gelesen habe. Ich müsste wirklich nachdenken, bei welchen Büchern das der Fall war. Bei Rezensionen ist es was anderes, da schaut man natürlich noch mal rein, nachdem man das Buch ausführlich gelesen hat. Aber ansonsten lese ich Bücher mit wenigen Ausnahmen wirklich nur einmal. Denn ich bin auch überzeugt, dass Bücher immer zu ihrer Zeit kommen und man entweder davon begeistert ist oder nicht. Von manchen Büchern möchte ich mir das gar nicht nehmen lassen, von denen ich jetzt vielleicht sagen würde, dass sie meine Lieblingsbücher sind. Denn dann könnte es passieren, dass ich sie nicht mehr so gut finde. Natürlich nehme ich mir da auch die Option, Bücher, die ich schlecht finde, jetzt besser zu finden. Aber ganz ehrlich, Bücher, die ich damals schlecht fand, will ich jetzt nicht noch mal lesen.

Welche Bücher sind denn deine Top-Favoriten? Oder anders ausgedrückt: Welche Bücher willst du auf keinen Fall noch einmal lesen, weil du sie so mochtest?

Oh Gott, das ist eine Frage, wo ich immer lange nachdenken muss. Ich kann zumindest den Platz 1 benennen, weil ich es mir mittlerweile angelernt habe, den zu nennen. Platz 1 ist tatsächlich Bram Stokers „Dracula“, den ich auch schon des Öfteren vor Publikum gelesen habe. Das finde ich nach wie vor einen wunderbar großartigen Roman, der jetzt auch immer wieder neu entdeckt werden muss, weil er einfach von Vorurteilen belegt ist. Aber die Geschichte ist nicht wie aus einem schlechten Horrorfilm, sondern tatsächlich eine wunderbare Liebesgeschichte, wie ich finde. Und sie ist literarisch super komponiert als Briefroman.

Auf Platz 2 traue ich mich jetzt mal einen Roman zu setzen, den ich damals wahnsinnig gut fand, obwohl ich ihn vor 15 oder 20 Jahren gelesen habe: „Im Land der letzten Dinge“ von Paul Auster. Auf Platz 3 könnte ich einen weiteren Klassiker setzen, von dem ich denke, er müsste gerade bei TikTok wieder entdeckt werden: „Frankenstein“ von der damals erst 17-jährigen Mary Shelley.


Neugierig geworden? Mehr erfährst du im gesamten Interview mit Literaturkritiker Wolfgang Tischer in unserer neuen Folge.
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