Man kennt Stephen King als den „Meister des Horrors“. Mit über 60 veröffentlichten Romanen, unzähligen Kurzgeschichten und einigen sehr humorvollen bis grausigen Filmadaptionen ist Stephen King einer der bekanntesten Autoren der Welt. Doch was ist es, das ihn so erfolgreich macht? Was können wir als angehende Autorinnen von ihm lernen? Eve und Anne haben in der Folge #121 den Versuch gewagt, einen knochigen Finger draufzulegen.

Man muss immer wissen, wie es weitergeht.

Es fällt schwer, einen Stephen King aus der Hand zu legen.

Das liegt nicht etwa daran, dass seine Bücher verflucht sind und sich jeder Einband in die Haut der eigenen Finger frisst, sodass man ihn nicht mehr ablegen kann, unfähig, zu essen, zu trinken oder zu schlafen. Nein, das ist nur ein netter Kirmestrick. Vielmehr ist es die Spannung, die er aufbaut.

Man kennt Stephen King als "Meister des Horrors": Mehr als 60 Romane, unzählige Kurzgeschichten und einige Filmadaptionen. Was macht ihn so erfolgreich?

Er steigt sofort ins Geschehen ein.

Wir wissen sofort, worum es geht und dass gleich etwas schreckliches passiert, das nur weitere schreckliche Dinge nach sich ziehen wird. Gleichzeitig lässt er sich Zeit dabei, Welt und Figuren zu entwickeln. Stephen King weiß, dass der wahre Horror eine starke (wenn nicht gar überwiegende) emotionale Ebene hat – wir fürchten uns mehr um das, was uns lieb gewonnen ist.

“The terror, which would not end for another 28 years – if it ever did end – began, so far as I know or can tell, with a boat made from a sheet of newspaper floating down a gutter swollen with rain.”
Stephen King – It (Es)

Gleichzeitig bedient er sich mancher Handgriffe aus dem Genre des Mystery. Er wirft Fragen auf. Viele seiner Werke handeln von einer übernatürlichen Kraft, einer bösen Entität, einer unbekannten Rasse von menschenfressenden Wesen. Dabei lässt er zuerst Dinge geschehen, ehe er diese Dinge Stück für Stück erklärt.

Uns bleibt lange Zeit nichts übrig, als zu fragen: Was hat es mit dem Clown in der Kanalisation auf sich? Warum ist die tote Katze so aggressiv? Warum sind fast alle Mitfliegenden auf diesem Flug verschwunden – und was hat es mit diesem monströsen Kaugeräusch auf sich, das langsam in der Ferne lauter wird?

Wir müssen es wissen! Immerhin geht es vielleicht um unser Leben.

Stephen King schreibt Charaktere, die sich wie Menschen anfühlen

Manch ein Kritiker wirft Stephen King vor, dass seine Charaktere klischeehaft wären. Mitunter ist dieser Vorwurf nicht ganz von der Hand zu weisen. Doch man muss bedenken, dass viele Klischees einen Kern in der Wahrheit besitzen. Wir nutzen sie aus einem Grund – sie machen die Welt vertraut. Sie helfen uns, Geschehnisse und Menschen einzuordnen.

Nicht die Klischees selber sind das Problem, sondern die Art und Weise, wie sie verwendet werden. Ruht man sich auf simplen Wahrheiten aus? Oder lässt man sie zu etwas neuem heranwachsen?

“It’s strange how pain marks our faces, and makes us look like family.”
Stephen King – The Green Mile

(Dazu mehr in unserer Folge #22 Altbewährt oder abgenutzt? – Der Unterschied zwischen Klischees und Tropes)

Ja, Stephen King hat teilweise wiederkehrende Charaktertypen. Aber sie wirken selten abgenutzt, weil er sie immer in einen neuen Kontext stellt – eine neue Lektion, eine neue Herausforderung, eine neue Wahrheit, eine neue Welt.

Man kennt Stephen King als "Meister des Horrors": Mehr als 60 Romane, unzählige Kurzgeschichten und einige Filmadaptionen. Was macht ihn so erfolgreich?

Seine Charaktere kämpfen immer mit persönlichen Dämonen, die an die universelle menschliche Erfahrung anknüpfen. Bei ihnen geht es um Verlust, Ausschluss aus der Gesellschaft, Suchtprobleme. Sie sind Kinder, alte Menschen, haben verschiedene Ethnien und Kulturen, liegen überall auf dem Spektrum der Intelligenz.

Was sie alle gemein haben ist der Respekt, den Stephen King ihnen entgegenbringt. Er liebt alle seine Charaktere gleich. Keinen von ihnen schreibt er nur, um ihn umzubringen oder als flache Leinwand für eine billige Lektion zu verwenden.

Er gibt allen eine Seele.

Aber vor Allem: Seine Geschichten handeln immer von Menschlichkeit

Stephen King ist mehr als blanker Horror.

Er schafft Geschichten in deren Kern nackte, menschliche Erfahrung liegt. Seinen Romane liegt oft ein Thema zugrunde, das der Handlung Tiefe und Bedeutung verleiht. Dabei greift er nie auf Banales zurück. Seine Hand geht tief in die Wühlkiste der Humanität. „The Shining“ handelt von Sucht, „Es“ von verlorener Kindheit, „Der Friedhof der Kuscheltiere“ von der Unerträglichkeit von Verlust.

Das spürt man auf jeder Seite.

“I don’t think children ever forget the lies their parents tell them.”
Stephen King – Pet Sematary (Friedhof der Kuscheltiere)

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